Die Trnen des Clowns 11FREUNDE

Endlich wieder Bundesliga! Wir freuen uns darauf. Auch, weil dann wieder diese diebischen und (bislang) geheimen Freuden bedient werden. Unsere Bundesliga-Guilty-Pleasures. Hier findet ihr alle Texte der Serie.
Bazi was my first love. Irgendwann Ende des alten Jahrtausends entdeckte ich ihn am Spielfeld im Münchner Olympiastadion. Knollennase, abstehende Ohren, Lederhose. Sein Augenaufschlag und der Grinsemund identifizierten ihn eindeutig als Pothead. Oder Schlimmeres. Sofort ging mir durch den Kopf: Eine bemitleidenswerte Gestalt. Als hätte Uli Hoeneß wahnhaft im Keller seiner Tegernsee-Villa mit Buntstiften experimentiert, frei nach dem Motto: Mir brauchen ein Maskottchen!
Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig war das Mondgesicht!
Nun lief das adipöse Faktotum am Spielfeld auf und ab und beklatschte wirr lächelnd jede dahingestümperte Spielsituation. Ein trauriger Clown in viel zu großen Klamotten, zum ewigen Lächeln verdammt, die lebende Klatschpappe des Rekordmeisters. Und noch lange bevor bei jedem Bundesligisten überlebensgroße Plüschtierchen durch die Manege tigerten, schloß ich den armen Bazi-Tropf, in dessen Innern wahrscheinlich tapfer ein prekärer Nebenberufler schwitzte, der von seinem zweiwöchentlichen 90-Minuten-Ruhm niemals etwas haben sollte, klammheimlich in mein Herz.
Geschöpfe, die ein trauriges Schauspiel abfeiern
Schon klar, Maskottchen sind für uns Traditionalisten Ausgeburten der Marketing-Hölle. Stumme Handlanger einer außer Kontrolle geratenen Kommerzialisierung. Doch sind sie nicht auch Opfer? Mit ihren ihnen erstarrten Gesichtszügen, auf Gedeih und Verderb zur Euphorie verdammt, symbolisieren sie bei den meisten Vereinen doch eher die Unbarmherzigkeit des Fußballgeschäfts. Logisch, dem Bazi und dessen schnöden Nachfolger Berni geht es gut. Sie konzertieren zumeist den Erfolg. Doch denken wir an Dino Hermann, an Fritzle oder den gesichtslosen Erwin. Geschöpfe, die seit Jahren ein trauriges Schauspiel abfeiern müssen. Starre Miene zum bösen Spiel machen. Wer ihnen zusieht, möchte die kuschligen Loser am liebsten in den Arm nehmen und ihnen ins Ohr flüstern: „Gräme dich nicht, wird schon wieder!“
Endgültig meinen Frieden mit der Maskottchen-Kultur machte ich Mitte der Nullerjahre. Ich war als Moderator der Berliner Panini-Tauschbörse gebucht. Die Veranstalter hatten gesagt, ein Hertha-Spieler (Arne Friedrich) käme vorbei, ich solle auf der Bühne ein Interview machen und dazu ein paar Sammelalben verlosen. Als ich am Veranstaltungsort ankam, waren die Panini-Leute aber ganz aufgeregt. Arne Friedrich habe abgesagt, nun käme ein brasilianischer Spieler Thinho. Ganz neu verpflichtet. Ich hatte noch nie von ihm gehört. Stellte mich auf ein ungelenkes Denglisch-Interview ein, ein paar rhetorische Allgemeinplätze.
Doch die Panini-Kollegen hatten da wohl etwas falsch verstanden. Es kam nicht etwa der Jungstar Thinho („Herr Thinho ist gleich da…“), plötzlich rauschte BSC-Maskottchen Herthinho in die Halle. An seiner Seite ein freundlicher Begleiter, der mich sogleich über die Gepflogenheiten des Interviews aufklärte. Nur er sei in der Lage, dem verkleideten Glücksbringer seinen Weg durch den Saal zu weisen. Nein, das Maskottchen würde keinen Muks machen. Nein, auch der in der üppigen Verkleidung steckende Werkstudent würde keine Fragen beantworten. Herthinho gäbe grundsätzlich nur mimische und gestische Antworten.
Maskottchen sein ist Arbeit, wo man leistet
Und so stand ich schließlich mit dem entrückten Bärenplüsch auf einer Holzbühne im Europacenter, der auf meine investigativen Fragen („Herthinho, wie gefällt es dir hier?“, „Sammelst Du auch Panini-Bilder?“, „Wie spielt die Hertha am Wochenende?“ usw.) wahlweise mit dem Poldi-Daumen, einem Achselzucken oder sonstigem Overacting antwortete. Am Ende unseres „Gesprächs“ bedankte ich mich herzlich bei Herthinho, der mir daraufhin spontan um den Hals fiel und mir mit seiner Kuscheltatze sanft über den Kopf streichelte. Anschließend trat Meister Petz von der Bühne und ließ sich geduldig über Stunden mit Kleinkindern fotografieren. Keine Klagen, keine Pausen, für keinen Moment nahm der Mensch den überheißen Kopf ab. Und mir wurde klar: Maskottchen sein ist Arbeit, wo man leistet.
Wer es nicht selbst erlebt hat, sollte also nicht zu hart ins Gericht mit diesen Stoffbergen gehen. Wir wissen nicht, was in ihnen vorgeht. Wie sang Smokey Robinson in „Tears of a Clown“: „Ich versuche mein Äußeres zu verbergen/Lächle in die Menge/Doch allein zuhause, da weine ich/Die Tränen eines Clowns/Wenn niemand dabei ist/Oh yeah, Baby/Jetzt ist ein Lächeln auf meinem Gesicht/Aber lass dich von meinem frohen Ausdruck nicht täuschen/Denke nicht, es macht mir nichts aus, nur weil ich lächle/Denn ich bin wirklich traurig“. Bazi was my first love … and it will be my last.
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