Behind blue Eyes 11FREUNDE

Wer anfängt, sich mit Jesus Navas zu beschäftigen, kann das auch im nordrhein-westfälischen Nieheimer Ortsteil Erwitzen tun. Dort steht auf einer Gedenktafel an einem Wanderweg die Inschrift „Heimat ist Heimweh und Sehnen nach allen Weiten“. Sie ist dem 1904 verstorbenen Peter Hilles gewidmet. Der Autor ist gleichzeitig Namensgeber dieses Wanderweges. Nach Jesus Navas ist bisher kein Wanderweg benannt. Das wäre auch sehr verwunderlich. Ein großer Wanderer war der Spanier nämlich nie. Doch er weiß sehr wohl, was Heimat und insbesondere Heimweh sind. Sich nach der Ferne oder dem Weiten sehnen, musste er erst lernen. Das fiel ihm alles andere als leicht. Es wurde zur größten Herausforderung seiner Karriere.
Titel für Titel
Eine gemeinsame mit seinem Verein bewältige er noch am Ende der abgelaufenen Saison. Der nächste Titel, der nächste Erfolg. Der 37-jährige Jesus Navas reckte die silberne Trophäe in den Budapester Nachthimmel. Seine blauen, durchdringenden Augen strahlten. Bis in die Verlängerung hinein hatte er mal wieder mitgewirkt und dabei geholfen, den Abonnenten auf den Europa-League-Titel, den FC Sevilla, einmal mehr zum Sieg zu führen. Nun kürte die UEFA ihn zum besten Spieler der Europa-League-Saison.
Gegen AS Rom gewannen die Andalusier zum siebten Mal den Wettbewerb, der bis 2009 noch UEFA-Cup hieß. An vier Titeln hatte Jesus Navas seinen Anteil, damit ist er der zweiterfolgreichste Spieler dieses Wettbewerbs. Nur José Antonio Reyes, der 2019 im Alter von 35 Jahren bei einem Autounfall tragisch ums Leben kam, liegt mit fünf Titeln vor ihm. Drei davon gewann er ebenfalls im Trikot des FC Sevilla. Gemeinsam holten Reyes und Navas den Pott jedoch nie. Das liegt daran, dass Jesus Navas es allen und insbesondere sich selbst beweisen wollte. Und das gar nicht so sehr auf sportlicher Ebene.
Der Weg in die Welt
Dennoch lohnt sich der Blick auf eine Szene am 11. Juli 2010, um die spielerische Klasse des Spaniers zu beschreiben. Spaniens damaliger Nationaltrainer Vicente del Bosque hatte Jesus Navas im WM-Finale gegen die Niederlande eingewechselt. Tief in der Verlängerung, in der 116. Minute, startete Carles Puyol den nächsten Versuch, das Spiel zu eröffnen. Sein Pass auf die rechte Seite landete bei Navas. Und der tat das, was er hunderte Male davor und danach getan hatte: Zwei kurze Schritte mit dem Ball, dann nahm er es in einem unglaublichen Tempo mit den überforderten Niederländern auf. Wesley Sneijder, Eljero Elia und Edson Braafheid versuchten irgendwas zwischen Tackling und Ball wegspitzeln, erfolgreich war nichts davon. Der Ball landete bei Cesc Fabregas, der ihnzu Andres Iniesta in den Strafraum weiterleitete. Iniesta schloss ab und machte Spanien zum Weltmeister. Jesus Navas war der wichtige Balltransporteur, technisch versiert, der Räume riss und mannschaftsdienlich arbeitete. Zwei Jahre später wurde er mit der Nationalmannschaft auch Europameister.
Wenn ein Spieler, der auf seiner Position zu den besten der Welt zählt, zu Manchester City wechselt, ist das sportlich meistens nachvollziehbar. Wenn der Mann aber eine große Vereinslegende ist und sich dann zu den finanziell aufgepumpten Citizen gesellt, hagelt es meistens Enttäuschung und Unverständnis. Jesus Navas hätte das sein können, was Paolo Maldini oder Francesco Totti waren. Was aktuell Thomas Müller oder Sergio Busquets sind. Fußballer, die ihr gesamtes Leben nur einem einzigen Verein widmen. Der Spanier, der trotz seines Alters noch unumstrittener Stammspieler beim FC Sevilla ist und seit mittlerweile 20 Jahren zumeist als Rechtsverteidiger über die weltweiten Fußballplätze rennt, hat 646 Pflichtspiele für seinen Verein bestritten und weitere werden sicherlich noch hinzukommen. Es wäre nur all zu verständlich, wenn Misstöne verlautet worden wären. Nicht so bei Jesus Navas: Die Fans des FC Sevillas äußerten sich in den sozialen Meiden äußerst versöhnlich, freuten sich zum Teil sogar für den Mann, der es bislang nie aus Andalusien rausgeschafft hatte. Zusätzlich braucht der damals klamme Verein finanzielle Einnahmen und musste Gehalt einsparen. Ein Wechsel, der für alle Seiten Sinn ergab und eine Trennung, die letztendlich nicht ewig galt. Und er musste seine Heimat verlassen – um zu lernen und um den Kampf gegen seine Psyche zu gewinnen.
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