Behind blue Eyes 11FREUNDE

Publish date: 2024-12-02

Wer anfängt, sich mit Jesus Navas zu beschäf­tigen, kann das auch im nord­rhein-west­fä­li­schen Nie­heimer Orts­teil Erwitzen tun. Dort steht auf einer Gedenk­tafel an einem Wan­derweg die Inschrift Heimat ist Heimweh und Sehnen nach allen Weiten“. Sie ist dem 1904 ver­stor­benen Peter Hilles gewidmet. Der Autor ist gleich­zeitig Namens­geber dieses Wan­der­weges. Nach Jesus Navas ist bisher kein Wan­derweg benannt. Das wäre auch sehr ver­wun­der­lich. Ein großer Wan­derer war der Spa­nier näm­lich nie. Doch er weiß sehr wohl, was Heimat und ins­be­son­dere Heimweh sind. Sich nach der Ferne oder dem Weiten sehnen, musste er erst lernen. Das fiel ihm alles andere als leicht. Es wurde zur größten Her­aus­for­de­rung seiner Kar­riere.

Titel für Titel

Eine gemein­same mit seinem Verein bewäl­tige er noch am Ende der abge­lau­fenen Saison. Der nächste Titel, der nächste Erfolg. Der 37-jäh­rige Jesus Navas reckte die sil­berne Tro­phäe in den Buda­pester Nacht­himmel. Seine blauen, durch­drin­genden Augen strahlten. Bis in die Ver­län­ge­rung hinein hatte er mal wieder mit­ge­wirkt und dabei geholfen, den Abon­nenten auf den Europa-League-Titel, den FC Sevilla, einmal mehr zum Sieg zu führen. Nun kürte die UEFA ihn zum besten Spieler der Europa-League-Saison.

Gegen AS Rom gewannen die Anda­lu­sier zum siebten Mal den Wett­be­werb, der bis 2009 noch UEFA-Cup hieß. An vier Titeln hatte Jesus Navas seinen Anteil, damit ist er der zweit­erfolg­reichste Spieler dieses Wett­be­werbs. Nur José Antonio Reyes, der 2019 im Alter von 35 Jahren bei einem Auto­un­fall tra­gisch ums Leben kam, liegt mit fünf Titeln vor ihm. Drei davon gewann er eben­falls im Trikot des FC Sevilla. Gemeinsam holten Reyes und Navas den Pott jedoch nie. Das liegt daran, dass Jesus Navas es allen und ins­be­son­dere sich selbst beweisen wollte. Und das gar nicht so sehr auf sport­li­cher Ebene.

Der Weg in die Welt

Den­noch lohnt sich der Blick auf eine Szene am 11. Juli 2010, um die spie­le­ri­sche Klasse des Spa­niers zu beschreiben. Spa­niens dama­liger Natio­nal­trainer Vicente del Bosque hatte Jesus Navas im WM-Finale gegen die Nie­der­lande ein­ge­wech­selt. Tief in der Ver­län­ge­rung, in der 116. Minute, star­tete Carles Puyol den nächsten Ver­such, das Spiel zu eröffnen. Sein Pass auf die rechte Seite lan­dete bei Navas. Und der tat das, was er hun­derte Male davor und danach getan hatte: Zwei kurze Schritte mit dem Ball, dann nahm er es in einem unglaub­li­chen Tempo mit den über­for­derten Nie­der­län­dern auf. Wesley Sneijder, Eljero Elia und Edson Bra­af­heid ver­suchten irgendwas zwi­schen Tack­ling und Ball weg­spit­zeln, erfolg­reich war nichts davon. Der Ball lan­dete bei Cesc Fab­regas, der ihnzu Andres Iniesta in den Straf­raum wei­ter­lei­tete. Iniesta schloss ab und machte Spa­nien zum Welt­meister. Jesus Navas war der wich­tige Ball­trans­por­teur, tech­nisch ver­siert, der Räume riss und mann­schafts­dien­lich arbei­tete. Zwei Jahre später wurde er mit der Natio­nal­mann­schaft auch Euro­pa­meister.

Wenn ein Spieler, der auf seiner Posi­tion zu den besten der Welt zählt, zu Man­chester City wech­selt, ist das sport­lich meis­tens nach­voll­ziehbar. Wenn der Mann aber eine große Ver­eins­le­gende ist und sich dann zu den finan­ziell auf­ge­pumpten Citizen gesellt, hagelt es meis­tens Ent­täu­schung und Unver­ständnis. Jesus Navas hätte das sein können, was Paolo Mal­dini oder Fran­cesco Totti waren. Was aktuell Thomas Müller oder Sergio Bus­quets sind. Fuß­baller, die ihr gesamtes Leben nur einem ein­zigen Verein widmen. Der Spa­nier, der trotz seines Alters noch unum­strit­tener Stamm­spieler beim FC Sevilla ist und seit mitt­ler­weile 20 Jahren zumeist als Rechts­ver­tei­diger über die welt­weiten Fuß­ball­plätze rennt, hat 646 Pflicht­spiele für seinen Verein bestritten und wei­tere werden sicher­lich noch hin­zu­kommen. Es wäre nur all zu ver­ständ­lich, wenn Miss­töne ver­lautet worden wären. Nicht so bei Jesus Navas: Die Fans des FC Sevillas äußerten sich in den sozialen Meiden äußerst ver­söhn­lich, freuten sich zum Teil sogar für den Mann, der es bis­lang nie aus Anda­lu­sien raus­ge­schafft hatte. Zusätz­lich braucht der damals klamme Verein finan­zi­elle Ein­nahmen und musste Gehalt ein­sparen. Ein Wechsel, der für alle Seiten Sinn ergab und eine Tren­nung, die letzt­end­lich nicht ewig galt. Und er musste seine Heimat ver­lassen – um zu lernen und um den Kampf gegen seine Psyche zu gewinnen.

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